13. Februar 2023 – dpa
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Doch die Chancen auf einen Verbleib des Vietnamesen Pham Phi Son in Sachsen schwinden. Politiker verschiedener Parteien mahnen eine Änderung der Abschiebepraxis an.
In Sachsen gibt es Kritik an einer Entscheidung der Härtefallkommission zu einem Vietnamesen, der schon seit mehr als drei Jahrzehnten in Chemnitz lebt und dem nun die Abschiebung droht. Politiker von Linken, SPD und Grünen sprachen sich am Montag ebenso wie der Flüchtlingsrat erneut für ein Bleiberecht von Pham Phi Son und seiner Familie aus. Die Kommission hatte sie am Freitag nicht als Härtefall eingestuft. Nach Angaben der Landesdirektion Sachsen war die Familie bereits zur Ausreise verpflichtet, wurde aber für die Zeit des Härtefallverfahrens geduldet.
Die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz muss nun prüfen, ob die Abschiebung erfolgen kann. Die Begründung zur Entscheidung der Härtefallkommission liege noch nicht vor, teilte die Stadt am Montag auf Anfrage mit. Man werde «selbstverständlich nochmals die Voraussetzungen für ein mögliches Bleiberecht prüfen». Ein offenes Verfahren sei dazu aktuell noch anhängig. Bei dieser Prüfung werde auch das neue Chancen-Aufenthaltsrecht Berücksichtigung finden.
Pham Phi Son lebt seit gut 35 Jahren in Sachsen. Mehr als 80 000 Menschen hatten sich in einer Online-Petition für den Verbleib der Familie ausgesprochen. Der Vietnamese war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Zwischenzeitlich war er allerdings länger als ein halbes Jahr wieder in Vietnam gewesen und hatte damit Fristen in Deutschland verletzt. Der Fall beschäftigte bereits Gerichte, ebenso wie die Härtefallkommission des Landes, die ein Bleiberecht nun erneut ablehnte.
SPD-Landesvize Sophie Koch machte unter anderem geltend, dass die Tochter der Familie kurz vor der Einschulung steht. «Eine Abschiebung wäre ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben und jetzt trotzdem Angst vor einer Abschiebung haben müssen», sagte sie. Die Grünen-Politikerin Petra Čagalj Sejdi schrieb auf Twitter: «Wie kann man Menschen, die bereits 35 Jahre hier leben und die als Vertragsarbeiter in der DDR ihren Schweiß für das Wohlergehen der Bevölkerung gelassen haben, abschieben? Sie gehören nach Sachsen.»
Für den SPD-Parlamentarier Albrecht Pallas zeigt der Fall die «absurde und hässliche Seite des Aufenthaltssystems». «Es wird höchste Zeit, dass hier grundsätzlich etwas passiert und gut integrierte Menschen Perspektiven bekommen, anstatt sie abzuschieben.» Die «unbegreifliche Entscheidung» der Kommission müsse nicht das Ende für die Familie Pham in Sachsen sein. Über das Chancen-Aufenthaltsrecht könnten sich neue Möglichkeiten für die Ausländerbehörde in Chemnitz ergeben.
Die Jusos Sachsen riefen am Montag zum «entschlossenen Handeln» auf. Es sei eine Schande, dass der Mann «trotz seiner jahrzehntelangen Integrationsleistung immer noch von Abschiebung bedroht ist», teilte der Co-Vorsitzende Max Stryczek mit. Die Jusos fordern eine Überprüfung der Entscheidung der Härtefallkommission und eine Lösung, die den Betroffenen ein sicheres Leben in Deutschland ermöglicht.
Die Linke-Politikerin Juliane Nagel erklärte: «Es ist nur noch bizarr: Deutschland wie Sachsen stecken Millionen in Hochglanz-Kampagnen und werben mit vorgeblicher Weltoffenheit, einem offenen Arbeitsmarkt und freundlicher Nachbarschaft, weil unserem Land Arbeitskräfte fehlen.» Trotzdem bekomme eine Familie, die seit mehr als 35 Jahren in Sachsen lebe und arbeite, keinen Beistand von der Härtefallkommission. «Die aufenthaltsrechtliche Tortur der Familie währt nun das sechste Jahr», sagte Nagel. Sie erwarte, dass die Ausländerbehörde Chemnitz jetzt endlich das beende, «wozu eine Kommission, die den Härtefall im Namen trägt, nicht in der Lage war».
Der Flüchtlingsrat verwies auf Äußerungen der Landesregierung, wonach mehr Fachkräfte aus Vietnam und Indien angeworben werden sollen. Dies stehe im krassen Widerspruch zur Situation der vietnamesischen Familie in Chemnitz, die schon hier lebe und arbeite und dennoch abgeschoben werden solle, hieß es. Die Familie, ihre Anwältin und Unterstützer würden weiter darum kämpfen, dass sie in Sachsen bleiben dürfe.